Amyotrophe Lateralsklerose ist eine neurologische Erkrankung, bei der motorische Nervenzellen im Gehirn, Hirnstamm und Rückenmark absterben. Motorische Nervenzellen sind die Zellen, die Informationen an die Muskeln weiterleiten. Man bezeichnet sie auch als Bewegungsnerven. Die Krankheit wurde im 19. Jahrhundert von Jean-Martin Charcot entdeckt, einem der Begründer der Neurologie und Lehrer von u. a. Sigmund Freud und Tourette. In Amerika wird ALS auch als Lou-Gehrig-Krankheit bezeichnet, nach einem berühmten Baseballspieler, der im letzten Jahrhundert an ALS starb.
Die ALS ist eine relativ seltene Krankheit, die in der Regel etwas später im Leben auftritt, etwa im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Sie tritt bei Männern häufiger auf als bei Frauen. Jährlich werden in Deutschland etwa 2500 neue Patienten mit ALS diagnostiziert. Die Ursache der ALS ist bis heute unbekannt. Bei zehn Prozent der Patienten scheint jedoch eine vererbbare Komponente eine Rolle zu spielen, und die Krankheit tritt in der Familie häufiger auf. Die Forschung hat gezeigt, dass diese Erbvariante bei fast der Hälfte der ALS-Patienten in der Familie einen Gendefekt beinhaltet.
Multifaktoriell
Allerdings handelt es sich bei ALS um eine sogenannte multifaktorielle Krankheit, d. h. bei ihrer Entstehung spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle. So scheinen neben Anomalien in einem ALS-Gen auch Umweltfaktoren wie der Lebensstil und die Exposition gegenüber schädlichen Stoffen eine wichtige Rolle zu spielen, wenn es darum geht, an ALS zu erkranken.
ALS ist eine Krankheit, die sich bei jedem Patienten anders äußert. In den meisten Fällen beginnt sie mit einer Muskelschwäche in den Armen und Händen oder im Mundbereich. Wenn die Krankheit in den Armen und Händen beginnt, ist sie oft nur auf einer Seite des Körpers zu finden. Die kleinen Hand- und Daumenmuskeln sind zum Beispiel etwas weniger in der Lage, etwas zu halten, und das Schreiben wird schwierig. Wenn die ALS in den Beinen beginnt, was seltener der Fall ist, treten erste Probleme beim Gehen auf, wobei häufiges Stolpern eine der häufigsten Beschwerden ist.
Bei etwa einem Drittel der ALS-Patienten beginnen die Symptome im Mundbereich. Es treten Probleme beim Sprechen und Schlucken auf. Mit der Zeit wird die Artikulation immer schwieriger, und die Betroffenen sprechen, als ob sie betrunken wären. Häufig treten Krämpfe in der Kiefer- und Zungenmuskulatur auf, manchmal auch in der Stimmbandmuskulatur. Letzteres, der Laryngospasmus, führt zu sofortiger Kurzatmigkeit.
Menschen mit ALS leiden auch regelmäßig unter sogenannten pseudobulbären Symptomen. Das sind emotionale Reaktionen wie zwanghaftes Gähnen, Weinen und Lachen. Diese Symptome halten jedoch nicht sehr lange an. Sie verschwinden in der Regel nach drei bis sechs Monaten. Allerdings können sie im sozialen Umgang sehr störend sein. Darüber hinaus sind Verhaltensänderungen häufiger anzutreffen. In der Regel wird die Informationsverarbeitung schwieriger und in 10 Prozent der Fälle verändert sich der Charakter, man wird lustlos und apathisch. Diese Symptome sind denen der frontotemporalen Demenz sehr ähnlich, bei der ebenfalls die fehlende (oder nicht mehr vorhandene) Krankheitseinsicht ein auffälliges Phänomen ist.
Bei der ALS tritt mit der Zeit immer eine Schwäche der Atemmuskulatur auf. Dadurch wird das Atmen immer schwieriger, vor allem bei Anstrengung und im Liegen, vor allem nachts. Da die Atmung schwieriger wird, sammelt sich immer mehr Kohlendioxid im Blut an (es wird nicht mehr ausreichend ausgeatmet). Dies führt zu schlechterem Schlaf und Tagesmüdigkeit. Mit dem Fortschreiten der Krankheit nimmt die Kohlendioxid-Ansammlung (Hyperkapnie) zu und ist auch tagsüber im Blut vorhanden. Dies führt schließlich zum Tod.
Prognose und Lebenserwartung
Da der Krankheitsverlauf bei Menschen mit ALS individuell unterschiedlich ist, ist es schwierig, eine genaue Prognose, z. B. für die Lebenserwartung, zu geben. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt derzeit bei etwa drei Jahren, aber es sind auch viele Fälle bekannt, bei denen dies anders ist. Durch die internationale Zusammenarbeit von 14 ALS-Zentren in neun europäischen Ländern wurde inzwischen ein Modell entwickelt, das den Krankheitsverlauf und die Lebenserwartung mit angemessener Genauigkeit vorhersagen kann. Dieses Modell, das ENCALS-Überlebensmodell (European Network to find the Cure for ALS), prognostiziert den Krankheitsverlauf anhand von acht verschiedenen Faktoren. Die Daten, die in dieses Modell einfließen, stammen von den Ergebnissen von 1 200 ALS-Patienten, die sehr genau abgebildet worden sind.
Behandlung
Bislang gibt es kein Medikament, das ALS heilen kann. Derzeit gibt es nur ein Medikament, Riluzol®, das den Rückgang der Muskelkraft etwas verlangsamt. Es bewirkt jedoch nur eine Verzögerung von drei bis sechs Monaten. Die weitere Behandlung konzentriert sich leider nur darauf, die Symptome zu kontrollieren und es den Betroffenen so angenehm wie möglich zu machen. Dazu können Physiotherapie, Sprachtherapie, Medikamente gegen Muskelkrämpfe und Medikamente und/oder Atemunterstützung bei Atemproblemen gehören.
Hoffnungen ruhen auf der Gentherapie, bei der in einem frühen Stadium der ALS das defekte Gen durch ein gesundes ersetzt wird. Diese Therapie steckt noch in den Kinderschuhen und ist nur für Menschen mit einem eindeutig identifizierbaren Gendefekt geeignet.
Allgemeines zum Schluss
Wenn Sie Fragen zu ALS oder verwandten Krankheiten wie PSMA (progressive spinale Muskelatrophie) oder PLS (primäre Lateralsklerose) haben, wenden Sie sich an Ihren behandelnden Arzt. Bei Fragen zu Medikamenten können Sie sich jederzeit an Ihren Apotheker wenden.